Erfahrungsbericht
Erfahrungsbericht der Bürgerinitiative Ivenack
Ivenack - Chronik des bisher erfolgreichen Widerstandes gegen den unkontrollierten Ausbau der Windkraft
- März 2014: Vision Bioenergiedorf Ivenack - ein Bürgermeister, der für das finanzielle Wohl seiner Gemeinde kämpft, was kann man sich mehr wünschen? Photovoltaik, Biogas und natürlich auch Windenergie – seine Vision. Biogas und Photovoltaik sind am Netz, aber bis heute nicht zum Vorteil der Bürger und der Gemeinde, im Gegenteil der Schuldenberg wächst weiter. Die Windkraft soll es richten: in Zusammenarbeit mit Nordex wird die Ivenacker Eichenstrom GmbH & Co KG gegründet und diese erstellt das Konzept, das in der Gemeindevertretersitzung präsentiert wird und zunächst einstimmigen Zuspruch erhält:
Erstellung von 7 Windkraftanlagen und 2 Messtürmen auf Flächen der BVVG und privatem Baugrund (keine ausgewiesene Windeignungsflächen - Nordex: Nutzung für Forschung- und Entwicklung) mit
- Einmaligen Einnahmen für die Gemeinde, einem Dorfentwicklungskonzept sowie regelmäßige Beträge aus den Gewinnen der Windenergieanlagen (WEA).
… für die hoch verschuldete Gemeinde ein vermeintlicher Rettungsanker und jeder der 342 Haushalte soll direkt durch eine Rückvergütung bei der Stromnutzung profitieren.
2 Bürger hören in der Gemeindevertretersitzung aufmerksam zu, welchem weitreichenden Konzept – ohne weitere Bürgerbeteiligung - dort zugestimmt wird und verbreiten die Information in Windeseile in der Gemeinde.
Anmerkung: die Geschäftsführer der Ivenacker Eichenstrom sind mit Enegra in Rheinlandpfalz und der Investmentgesellschaft H.A.L.M. verwoben. Vermutung: das Konzept dieser GmbH & Co KG hält nicht, was es verspricht und die vermeintlichen Gewinne der Ivenacker Eichenstrom bleiben nicht in der Gemeinde Ivenack.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Nachbarn machen Gegenwind“ sammeln innerhalb weniger Tage 223 Stimmen in der kleinen Gemeinde gegen die Windkraft - gegen Einbußen der Lebensqualität, Wertminderung der Grundstücke, Verunzierung der Landschaft in ihrer Gemeinde.
- April 2014: Die Bürger der direkt betroffenen Ortsteile und Nachbargemeinden opponieren in der folgenden Gemeindevertretersitzung gegen die Informationspolitik zu den anscheinend seit 6 Jahren schlummernden Plänen zur Windenergie und fordern eine detaillierte Darstellung und Information zum Thema.
- April 2014: Die daraufhin einberufene Einwohnerversammlung zeigt mit rund 200 Bürgern ein nie vermutetes Interesse. Auch alle umliegenden, betroffenen Gemeinden sind, wenn auch nur als Gäste mit Anfangs verwehrtem Rederecht, vertreten. Die Sitzung läuft anders als erwartet:
- Keine detaillierten Informationen zum Projekt seitens der zukünftigen Betreiber.
- Keinerlei Prognosen zu zukünftigen Zahlungen an Bürger durch die Ivenacker Eichenstrom.
- Sprecher des Städte- und Gemeindetages: keine rechtlichen Grundlagen für Zahlungen aus WEA an Bürger.
- Die Gemeindevertreter samt Bürgermeister stehen massiv in der Kritik, die Einwohner nicht mehr zu vertreten. Die Bürger stört vor allem, dass das Genehmigungsverfahren für die WEA bereits in Gang gesetzt wurde, ohne dass es vorher Informationen für die Einwohner gegeben hat.
Die Bürger protestieren lautstark und engagiert. Daraufhin wird beschlossen, in der nächsten Gemeindevertretersitzung eine erneute Entscheidung zum Genehmigungsverfahren durchzuführen.
Nur Wahlkampftaktik oder Wirklichkeit? Von verbalen, aber massiven Drohungen gegen Bürgermeister und Gemeindevertreter berichtet die Presse. Zeigt dies doch, wie emotional und gespalten das Dorf auf die mangelnde Informationspolitik reagiert. Der seit 25 Jahren regierende Bürgermeister in der Opferrolle, um bei den anstehenden Bürgermeisterwahlen wieder zu punkten? Sein Herausforderer, ist erklärter Gegner der WEA.
Mai 2014: Bürger organisieren einen Einwand beim Regionalen Planungsverband gegen Raumordnungsplanung mit Zielabweichungsverfahren der Firma Nordex.
- Mai 2014: Da die Versprechen zu den Chancen der WEA nicht konkretisiert werden, schwindet auch im Gemeinderat die Zustimmung. Das Thema ‚Windkraft‘ sollte erst nach der Kommunalwahl wieder auf die Themenliste, aber ein Teil der Gemeindevertreter setzt am Vorabend der Sitzung durch, dass es doch zur Abstimmung kommt und – ungeplant - der alte Beschluss zum Prüfverfahren gestoppt wird. Noch nie war das Interesse der Einwohner so stark: 90-100 Bürger hatten sich in den Saal gedrängt, um mitzuerleben, wie ihre Vertreter abstimmen.
- Mai 2014: Die Kommunalwahl zeigt den Protestwillen der Bürger, die sich klar gegen die Windkraft und gegen den bisherigen Bürgermeister aussprechen – ein erster Etappensieg!
Im November wird öffentlich, wie hoch die Gemeinde tatsächlich verschuldet ist: 1,6 Mio. Euro, davon allein 700 Teuro aus der Finanzierung der Photovoltaik-Anlage.
- Juni 2014: Nordex treibt die Planung ungeachtet des Widerspruchs der Gemeinde weiter voran und reicht den Antrag zur Eröffnung des Raumordnungsverfahrens ein. Im Oktober 2014 gehen entsprechende Pläne bei der Landesplanungsbehörde ein. Eine Anlaufberatung für das Raumordnungsverfahren hat bereits stattgefunden. Bis Ende 2014 sollen die Unterlagen geprüft sein, noch fehlt eine ausreichende Begründung, worüber geforscht werden soll. Nordex wird hektisch, denn die nächste Senkung der finanziellen Förderung ist absehbar.
Oktober 2014: Nordex rechnet immer damit, bis Ende 2015 die ersten 4 Windräder des Typs N131 (insg. 225m Höhe) und in 2017 die restlichen 3 Windräder errichten zu können.
- November 2014: Die gerade gewählte Gemeindevertretung zerbricht nach Auseinandersetzungen und muss Anfang 2015 neu gewählt werden.
- November 2014: Konsolidierung des landesweiten Widerstands gegen die Windenergie. Bei der Gründung des Bündnisses „Freier Horizont“ (40 Bürgerinitiativen aus Mecklenburg-Vorpommern) wird das „Ivenacker Erklärung“ gegen den unkontrollierten Ausbau der Windenergie verabschiedet.
April 2015: Start der landesweiten Unterschriftensammlung für das Volksbegehren für 10H-Regelung / Mindestabstand / zeitnahe Befassung des Landtags mit dem Volksgehren. Ein in Ivenack entwickeltes Faltblatt mit Informationen hilft zu überzeugen.
April 2015 – bis heute Vogelschutz ein zentrales Thema: mutwillig zerstörte Vogelhorste schaffen Fakten, um die Ausschlusskriterien für Windparks auszuhebeln. Eine Welle der Empörung schlägt durch Ivenack. Die Feststellung der Zerstörung ist nur durch die im Vorfeld mühsame Arbeit Freiwilliger möglich: Horste fotografieren und den Behörden (LUNG) zur Kartierung melden (Vgl. LEP und Änderungen Naturschutzgesetz 2017).
- Februar 2016: Parteigründung Freier Horizont in Altentreptow
- Mai 2016: Bürgerbeteiligungsgesetz tritt in Kraft. Für Ivenacker Bürger keine Option.
- Mai 2016: Wahlkampf in MV – Ivenacker Bürger kritisieren ‚Windkraft um jeden Preis‘ – Ministerpräsident Erwin Sellering blieb Antworten in Stavenhagen schuldig.
- August 2016: Gemeinderat Ivenack protestiert gegen Repowering in Stavenhagen/OT Basepohl.
- August 2016: Demonstration in Stavenhagen gegen das dort geplante Repowering (heute 100m / morgen 212m hoch).
- Dezember 2016: Bürger formulieren Einsprüche gegen Teilfortschreibung zur Neuausweisung von Windeignungsgebieten für die Mecklenburgische Seenplatte, insb. Basepohl, Griesow und andere in der Region.
- Dezember 2016: Planungsverband Seenplatte stoppt Repowering in Basepohl, benennt aber ein komplett neues – zusätzliches - Eignungsgebiet zwischen Stavenhagen und Kölpin.
Januar 2017: Überprüfung Flächennutzungsplan Ivenack => seit 2011 Windenergie innerhalb des Gemeindegebiets ausgeschlossen.
- Februar 2017: Ivenacker Eichen werden erstes deutsches „Nationales Naturmonument“.
- August 2017: Baumkronenpfad im Ivenacker Wildpark eröffnet.
Fazit September 2017: Die Gemeinde Ivenack ist dank des couragierten Einsatzes ihrer Bürger bis heute windkraftfrei und kämpft weiter gegen den unkontrollierten Ausbau der Windenergie. Nordex hat Projekt Ivenack (bisher) nicht weiter verfolgt.
2014 bis heute: die Politik forciert weiter den Ausbau der Windkraft gegen jegliche Vernunft, deshalb heißt es für uns Ivenacker Bürger …
- in eigener Sache weiter mit offenen Augen und Ohren unterwegs sein
- Austausch von Informationen/Besprechung weiterer Vorgehensweisen einmal pro Monat in der
Bürgerinitiative
- Teilnahme an Gemeindevertretersitzungen und aktive Mitwirkung an der Gestaltung unserer
Gemeinde sind Pflicht
- Suche nach Unterstützern in Politik, bei Naturschutzorganisationen, Forst und Touristik
- „Kontaktpflege“ zu Behörden und Ämtern
- Diskussion und kritisches Hinterfragen auf Veranstaltungen
- Leserbriefe an die örtliche Presse schreiben
- Unterstützung der Nachbargemeinden gegen den unkontrollierten Ausbau der Windkraft,
insbesondere bei Zielabweichungsverfahren
- Aktive Teilnahme an Demos, Messen, Ausstellungen in ganz Mecklenburg-Vorpommern
- Pressesammlung
- Darüber hinaus ist in Zusammenhang mit der Windkraft auf die Vermeidung der technischen
Überprägung der Landschaft zu achten (Photovoltaik) – gerade in Regionen, die mit Natur und Tourismus punkten.
Quellen: Nordkurier, Reuterstädter Amtsblatt, Freier Horizont
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