von Roberto Kort

Offener Brief an Ministerpräsidentin Schwesig und Pressemeldung

Folgender offener Brief ist heute an die Ministerpräsidentin und die Landtagsabgeordneten des Landes Mecklenburg- Vorpommern gesendet worden. Die Lobbyverbände der Windindustrie haben es durch ihre ausschließlich profitorientierte Arbeit geschafft, dass mit dem Entwurf des Investitionsbeschleunigungsgesetzes weitere, den Windindustrie-Ausbau störende Hindernisse aus dem Weg geräumt werden sollen. Wir wollen, dass sich unsere Landespolitiker für demokratische Verfahren bei Windindustrieprojekten und für eine versorgungssichere Energieerzeugung einsetzen.

 

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Schwesig,

sehr geehrte Landtagsabgeordnete,

am Sonntag, den 3. August 2020, leitete das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Verbändeanhörung ein und gewährte drei Werktage zur Stellungnahme. 

Wir halten es für unangemessen, ein solches Gesetzesvorhaben, das tiefgreifende Veränderungen im Planungsrecht impliziert und potentiell immense Auswirkungen auf die - darüber nur zu einem geringen Teil informierte - Bevölkerung hat, in derartiger Eile anzugehen. 

Wir bitten Sie deshalb, in der Diskussion und bei der Abstimmung im Bundesrat nachfolgende zentrale Punkte und unseren grundsätzlichen Kommentar zu berücksichtigen. 

Grundsätzlicher Kommentar zur Einbeziehung von Windkraftanlagen 

Windenergieanlagen sind keine Infrastrukturprojekte und erst recht nicht von überregionaler Bedeutung. 

Die Fokussierung der Energiewende auf Windstrom fordert jetzt schon ihren Tribut. 

  • Wir haben die höchsten Strompreise in der Welt.
  • Wir haben mit dem EEG das teuerste Instrument der CO2-Vermeidung weltweit, wobei hierzu jegliche Beweise fehlen, ob CO2 überhaupt damit reduziert wird
  • Wir betreiben die umfangreichste Naturzerstörung auf dicht besiedeltem Raum und opfern sogar die Küstengewässer der Ostsee. Selbst in ökologisch und landschaftlich hochsensible Gebiete wird eingedrungen und damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet.
  • Wir haben die höchsten Netzinfrastrukturkosten weltweit, die mit den beschlossenen Projekten der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) und anderer notwendiger Infrastruktur zur Sicherung der Versorgung, astronomisch werden.
  • Die Versorgungssicherheit wird mit jeder WKA und jedem Solarmodul weiter sinken. Schon mit dem derzeitigen Ausbauzustand müssen wir bei Starkwind und Sonnen- schein Strom entsorgen, den europaweit keiner braucht und sogar gegen Aufgeld verschenkt werden muss („negative Strompreise“). Allein in der Zeit vom 17.04. – 23.04.2020 mussten dafür lt. Leipziger Strombörse 43.234.963 € (43 Mio) an Abnehmer gezahlt werden. Bezahlt über die häusliche Stromrechnung der Bürger. 
  • Der erweiterte Ausbau verschärft die Lage im Stromnetz in Europa sofort dann, wenn es keinen Abnehmer für den Müllstrom trotz Aufgeld mehr gibt, weil alle Speicherseen gefüllt sind. Dann zwingt der Einspeisevorrang durch das EEG die anderen europäischen Länder zu rigiden Abwehrmaßnahmen, um die eigene Versorgungssicherheit zu gewährleisten. In einer Zeit, in der durch die Schulden- und Corona-Krise europaweit antideutsche Gefühle hochkochen, ist es nicht zu unserem Nutzen, ein „weiteres Fass aufzumachen“, weil wir aus rein ideologischen Gründen glauben, mit Windkraft und Photovoltaik die „Klimakatastrophe“ abwenden zu können. Soll wieder „am deutschen Wesen die Welt genesen“?
  • Es gibt nach 20 Jahren EEG immer noch kein Entsorgungskonzept für die nicht- recyclebaren Komponenten der WKA aus Glasfaser verstärkten oder zusätzlich mit Carbonfasern verstärkten Windradflügeln. Die Windradhersteller Enercon & Co. verweigern eine Rücknahme ihrer Erzeugnisse. Der zuständige Umweltminister darf das schweigend aussitzen bis zum Ende der Legislaturperiode.
    Zu einer sicheren Energieversorgung tragen sie aufgrund ihrer physikalisch bedingten Einspeisecharakteristik (Volatilität) nichts bei.
    Ihr weiterer Ausbau bedingt vielmehr einen weiteren Anstieg der Stromkosten und eine zunehmende Gefährdung der Netzstabilität.
    Bereits jetzt – ohne „Investitionsbeschleunigung“ - dringen Windenergieanlagen in nicht hinnehmbarer Weise in den ländlichen Raum vor und beeinträchtigen die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen in nicht vertretbarem Ausmaß.
    Bereits 2012 bemerkte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit Bezug auf den Ausbau derartiger Anlagen, hier werde
    zu Lasten des Gemeinwohls das Motto <je mehr und je schneller, desto besser < verfolgt“.
    Seither wurde die Anlagenzahl weiter um ca. neuntausend erhöht. Die energie-wirtschaftlichen Probleme – Stromexporte zu negativen Preisen, Redispatchkosten, „Phantomstrom“ – haben sich erwartungsgemäß verstärkt. Was eine weitere Erhöhung der Anlagenzahl bewirken würde, lässt sich leicht vorhersagen: An windreichen Tagen müsste entsprechend mehr Überfluss entsorgt werden. An windarmen Tagen wären regelbare Ersatzkapazitäten bzw. Importe genauso unentbehrlich wie heute.
    Es besteht also ein übergeordnetes Interesse an einer Verlangsamung bzw. an einem Stopp dieser Fehlentwicklung. Insofern ist schon die Grundintention des Entwurfs in Bezug auf Windenergieanlagen vollständig abzulehnen. Alle Bezüge zu Windenergieanlagen sind zu entfernen.

Die Erweiterung der gesetzlichen Regeln von Verkehrsstrukturgesetzen verbietet sich unseres Erachtens grundsätzlich und stellt eine nicht begründete Überdehnung dar. Die erweiternde Interpretation bzw. einschränkenden Folgen des Paragraph 80 VwVfG für Windenergieanlagen weisen wir daher vollumfänglich zurück! 

 

Der Artikel 3 ist mithin in Gänze zu streichen. 

Dessen Begründung: 

„Artikel 3 regelt den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land einer bestimmten Höhe. Hierdurch wird eine Verfahrensbeschleunigung bezweckt, um die Ausbauziele für Windkraft an Land zu erreichen, was für die Energiewende von zentraler Bedeutung ist.“ 

ist unhaltbar. Die Durchsetzung der Landschaft und der Naturräume mit Windkraftanlagen (inkl. der dafür notwendigen Infrastruktur) ist nichts anderes als ein Industrialisierungsprozess mit weitgehenden negativen Folgen für Menschen und Natur. Dieser Entwicklung leistet der Staat durch den Artikel 3 nochmals Vorschub, obwohl alle Abgeordnete und Parlamentarier zum Schutz der Menschen und der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet wären (Art. 20a GG). 

Unverhohlen wird damit dargestellt, dass Umwelt-, Natur- und Gesundheitsschutz- bestimmungen und die daraus abgeleiteten Möglichkeiten, sich auf diese zu berufen, einer rein politischen Zielsetzung geopfert werden sollen. 

Dieses Vorgehen widerspricht der in der Verfassung festgelegten Schutzpflicht und ist mit unserem Rechtsstaatsverständnis unvereinbar. 

Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat wichtiger denn je ist und dringend gestärkt werden muss, halten wir dieses Gesetzesvorhaben und die Art seiner Einleitung für höchst bedenklich. 

Wir regen dringend an zu prüfen, inwieweit der Ausbau von Windkraftanlagen überhaupt noch mit Artikel 20a des Grundgesetzes vereinbar ist: 

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ (Art. 20a GG ) 

Es ist mittlerweile offenkundig, dass der Windkraftausbau dem behaupteten Klimaschutz weder effizient noch effektiv dient, dabei aber die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen und Tiere schädigt. Eine entsprechende Abwägung, die Art. 20a GG erfordert, hat es nie gegeben. Will man auf dem eingeschlagenen Weg nun noch „beschleunigen“ und die Rechte Betroffener weiter einschränken, so wird die Notwendigkeit einer transparenten Güterabwägung noch deutlicher.

Unzutreffend und grotesk sind die Ausführungen zu den „weiteren Gesetzesfolgen“: 

„Der Gesetzentwurf hat keine Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher; gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen sind nicht zu erwarten. 

Der Gesetzentwurf hat indirekt positive Auswirkungen auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland. Durch effizientere Planungs- und Genehmigungsverfahren lassen sich Infrastrukturprojekte schneller realisieren, die ihrerseits vorteilhaft auf gleichwertige Lebensverhältnisse wirken können.“ 

Sofern Artikel 3 beibehalten wird und Windenergieanlagen fälschlich als Infrastrukturprojekte deklariert und infolge des Gesetzes schneller realisiert werden, hat dies erhebliche Auswirkungen auf Verbraucher: Die Strompreise werden mit Sicherheit steigen. Die indirekten Auswirkungen auf gleichwertige Lebensverhältnisse wären mit Sicherheit negativ: Dahingehend, dass die Lebensqualität im ganzen Land sinkt. 

Die Bürger wollen keine industrialisierten Landschaften durch Windkraftanlagen. Dies zeigt der steigende Widerstand gegen Windkraftpläne. Viele berichten uns, wenn sie in Schleswig Holstein oder Brandenburg unterwegs waren, von den entsetzlichen Zerstörungen der Landschaften und der Lebensräume für Menschen und Natur dort, und hoffen, dass es in Mecklenburg Vorpommern nicht dazu kommt. Doch wer schützt uns davor? 

 

Bild: Windindustrieanlagen bei Friedland

Soll in Zukunft unser Land überall so aussehen? Die Bürger wollen diese sinnlose Zerstörung ihrer Heimat nicht. Deshalb darf das Investitionsbeschleunigungsgesetz für den Windkraftausbau nicht zur Anwendung kommen. Der Gesetzentwurf hat damit sehr wohl negative Auswirkungen 

auf Verbraucherinnen und Verbraucher; gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen“ 

Die Forderung, die wir an die Politik haben, muss sich an folgendem Urteil messen können: 

„Im Grundsatz muss der Störer darlegen und beweisen, dass sich eine Beeinträchtigung nur als unwesentlich darstellt“ (BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91 – BGHZ 120, 239, 257; BGH, Urteil vom 08.10.2004, BauR 2005, 104-106; Wilhelmi in Ehrmann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 906, Rn. 19 a). 

 

Zentrale Punkte: 

Erstens: 

Als Begründung den zurückgegangenen Ausbau der Windkraft anzuführen, ist abwegig. Mit gleicher Logik könnte man auch den Führerschein ab 6 Jahren vergeben, um dem rückläufigen Automobilabsatz entgegenzuwirken. Die in Rede stehenden Schutzvorschriften erfüllen einen Zweck. Die vorgeschlagene Änderung in der Verwaltungsrechtsordnung 

[Artikel 1, § 48 „3a.die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern,[“]. 

würde diesen untergraben. 

Alle Instanzen zu den Gerichten müssen zulässig bleiben. 

Zweitens: 

Um die komplizierten Verfahren sauber abzuarbeiten und Investoren vor nicht unerheblichen finanziellen Verlusten (pro WKA ca. 7 Mio. €) zu schützen, ist eine aufschiebende Wirkung weiterhin notwendig. Eine Verfahrensbeschleunigung für den Windkraftausbau findet dadurch auch nicht statt, da Investitionsmittel fehlgeleitet werden. Ein „Durchwinken“ aller Projekte und „Wegwischen“ aller Bedenken würde den berechtigten Unmut in der Bevölkerung weiter steigern und die Abwägung aller relevanten Belange erschweren. 

Der Abschnitt - 

„Artikel 3, § 63 

Entfall der aufschiebenden Wirkung 

Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Wind- energieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern haben keine aufschiebende Wirkung.“ 

- ist zu streichen. 

Drittens: 

Die Durchführung von raumbedeutenden Maßnahmen hat immer gravierende Umweltauswirkungen, insbesondere bei mittlerweile über 250m hohen Windkraftanlagen. Eine Entscheidung im Einzelfall, die womöglich noch politisch motiviert ist, würde die Gesamtwirkung gerade des Windkraftausbaus nicht erfassen. Es ist bereits jetzt gängige Praxis, dass nur einzelne Anlagen beantragt werden, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu umgehen. Die aktuelle Regelung aus 1999 wonach ab 3, 6 und erst ab zwanzig Anlagen eine UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist, ist in keiner Weise verhältnismäßig, da eine einzige heute übliche Großanlage so viel Fläche überstreicht wie in 1999 zwanzig durchschnittlich große Anlagen. Damit fehlt dem Gesetzesentwurf auch insoweit jegliche fachliche Grundlage. 

In einem vorgelagerten Raumordnungsverfahren würden Ziele der Raumordnung vertieft geprüft und Umweltauswirkungen in der Gesamtheit erfasst. Raumordnungsverfahren sollten bei raumbedeutenden Maßnahmen grundsätzlich durchgeführt werden. 

Dieser Absatz - 

„Artikel 5, §15
Änderung des Raumordnungsgesetzes e) Absatz 5 wird wie folgt gefasst: 

„(5) Der Träger einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme kann die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens bei der für Raumordnung zuständigen Landesbehörde beantragen. Stellt der Träger der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme keinen Antrag, zeigt er dies der für Raumordnung zuständigen Landesbehörde unter Beifügung der für die Raumverträglichkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen vor Einleitung eines Zulassungs- verfahrens oder, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist, eines Verfahrens zur Bestimmung der Planung und Linienführung an. In diesem Fall soll die für Raumordnung zuständige Landesbehörde ein Raumordnungsverfahren einleiten, wenn sie befürchtet, dass die Planung oder Maßnahme im Hinblick auf die in Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 genannten Kriterien zu raumbedeutsamen Konflikten führen wird. Die für Raumordnung zuständige Landesbehörde teilt ihre Entscheidung dem Träger der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme innerhalb von vier Wochen nach dessen Anzeige gemäß Satz 2 mit. 

Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen des Bundes, von anderen öffentlichen Stellen, die im Auftrag des Bundes tätig sind, sowie von Personen des Privatrechts nach § 5 Absatz 1 trifft die für Raumordnung zuständige Landesbehörde die Entscheidung nach Satz 4 im Benehmen mit dieser Stelle oder Person.“ 

f) In Absatz 6 Satz 1 werden die Wörter „die Verpflichtung, Raumordnungsverfahren durchzuführen,“ durch die Wörter „Absatz 1 Satz 1“ ersetzt. 

g) Nach Absatz 6 wird folgender Absatz 7 angefügt: „(7) Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens kann nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nachfolgende Zulassungsentscheidung überprüft werden.“ „- ist daher zu streichen. 

Wir erwarten, dass dieses tiefgreifende Gesetzesvorhaben in der angemessenen Gründlichkeit durchgeführt und dass dabei das Partikularinteresse der Windkraftindustrie nicht mit dem Gemeinwohl verwechselt und dabei die Pflicht des Staates und der Staatsorgane zum Schutz der Bürger begraben wird. 

 

Im Namen von 46 Bürgerinitiativen Mecklenburg Vorpommerns 

 

hier der Brief als PDF

 

 

 

 

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