von Roberto Kort

Flaute bei Bürgerbeteiligung

Die wenigsten Menschen unserem Land lassen sich durch das Bürgerbeteiligungsgesetz, in ihrer Haltung zu Windparks, beeinflussen.

Die absehbar immer größeren Dimensionen der Anlagen werden die Beeinträchtigungen für die Bürger weiter wachsen lassen. Interessant dürften auch die Auswirkungen des mittlerweile eingeführten Ausschreibeverfahrens sein. In letzter Zeit gingen die Angebote dramatisch nach unten. Es stellt sich die Frage, inwieweit angesichts dessen, überhaupt noch Gewinne zu erwarten sind, die eine Kapitalbeteiligung lukrativ erscheinen lassen. Die ohnehin vorhandene Skepsis dürfte steigen.

 

Folgender Artikel ist am 18.12.2017 in der Ostseezeitung erschienen

Ernüchterung am Windkraft-Markt: Vor eineinhalb Jahren hat MV als erstes Bundesland ein Gesetz zur Bürgerbeteiligung beschlossen. Vor allem die SPD bejubelte eine angeblich wegweisende Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Einnahmen aus der Energiewende. Doch: Bis heute ist kein Projekt bestätigt, heißt es aus dem Energieministerium. Allerdings stünden 22 Projekte in den Startlöchern.

Im Frühjahr 2016 hatte der Landtag geregelt, dass Anwohner, die die Windräder vor der Tür haben, auch von der Energiegewinnung profitieren müssen. Laut Gesetz sind Windpark-Investoren verpflichtet, 20-prozentige Beteiligungen anzubieten oder einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. „Damit wird mehr vom wirtschaftlichen Erfolg der Windkraftanlagen bei den Menschen vor Ort und in den Kommunen bleiben, in denen die Anlagen stehen“, sagte damals Energieminister Christian Pegel (SPD). Der große Wurf blieb bisher aber aus. Für 22 Vorhaben sei seit Inkrafttreten des Gesetzes eine Genehmigung beantragt worden, abgeschlossen aber keines. Hinzu kämen 33 Projekte, die aus der Übergangszeit vor dem Gesetz stammen und deren Genehmigung auf Immissionsschutz vor Mai 2016 beantragt wurde. Davon wiederum hätten drei Windkraft-Projekte auch den erforderlichen Zuschlag nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten. Konkret: zwei Windräder in Stäbelow (Kreis Rostock), eines in Barkow (Ludwigslust-Parchim) und vier in Bartow (Mecklenburgische Seenplatte). Bei letzteren liege der Anteil der Bürgerbeteiligung sogar bei 38 Prozent.

Kaum Fortschritt also – Pegel ist dennoch zufrieden. Die Vielzahl von Gesprächen zum Thema mit Unternehmen und Gemeinden zeige, „dass die Stoßrichtung des Gesetzes vollkommen richtig ist“, so der Minister. „Da die längere Übergangsphase für das Gesetz auf der Einführung der Ausschreibungspflicht für die EEG-Vergütung beruht und diese Ausschreibungspflicht durch das Land unterstützt wurde, brauchen wir etwas länger.“

Der Prozess erfordere Geduld, sagt auch Andreas Jesse vom Verband Windenergie MV. Die Planungsphase für Windkraft-Projekte wachse aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen auf „fünf bis sieben Jahre“ an. Eine Prognose zu möglichen Erfolgen vergleicht Jesse mit „einem Blick in die Glaskugel“. Fakt sei: Es gebe derzeit zu wenige Flächen in MV für Windkraftausbau. Zudem setze die Ausschreibungspflicht für Projekte zusätzliche Hürden.

Kritik am Bürgerbeiligungsgesetz gibt es reichlich. „Akzeptanz kann man nicht kaufen und eine Entmündigung von Bürgern und Kommunalparlamenten nicht mit Zahlungen kompensieren“, sagt Norbert Schumacher, Bürgerinitiative „Freier Horizont“. Johann-Georg Jaeger, Grüne, sprach von einem „Bürokratiemonster“. Sein Vorschlag: Es sollten nur die unmittelbar vom Ausbau betroffenen Kommunen finanziell profitieren. Derzeit gilt ein Radius von fünf Kilometern. Änderungsbedarf sieht auch Arp Fittschen vom Städte- und Gemeindetag: Gemeinden sollten nur Geld erhalten, „wenn auch Bürger betroffen sind“.

Der Ausbau von Windkraft-Anlagen im Nordosten geht zurück. Laut Deutsche Windguard fiel MV in der ersten Jahreshälfte 2017 mit einem Neuanteil von nur knapp 100 MW Leistung (33 Anlagen) auf Platz neun der 16 Bundesländer zurück. Zum Vergleich: Niedersachsen kam binnen sechs Monaten auf fast das Sechsfache an Leistung und 203 Anlagen.

MV rutscht im Ländervergleich ab.

1873 Windräder standen Mitte des Jahres in MV – Gesamtleistung: 3186 Megawatt (MW). Der Zubau lag bei 33 Anlagen und 99,4 MW – Platz neun unter 16 Bundesländern. Im Ranking der meisten Anlagen liegt MV weiter auf Platz sechs: hinter Niedersachsen, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Baden-Württemberg baut die höchsten Windräder – im Schnitt 143 Meter Nabenhöhe. In MV sind es 124.

Quelle: OstseeZeitung / Montag, 18.12.2017

Zurück